Interview mit Nico Kersten

"Warum soll das Auto nicht können, was beim Smartphone längst üblich ist?"

Nico Kersten, CEO von Mercedes pay, über In-Car-Payment und wie Mercedes-Benz Fahrer mit Hilfe von künstlicher Intelligenz unterwegs bald schneller an eine Latte Macchiato kommen.

Herr Kersten, wann haben Sie das letzte Mal vom Auto aus etwas gekauft und bezahlt?

Ich bezahle meinen Kraftstoff ständig direkt vom Auto. Erst neulich musste ich an der Kasse anstehen, weil ich noch Scheibenreiniger brauchte. Das hat meinen kleinen Sohn im Auto total irritiert. ‚Papa, warum gehst du in die Tankstelle?‘. Er kennt das gar nicht mehr.

Glauben Sie, dass sich In-Car-Payment schnell durchsetzen wird?

Davon bin ich überzeugt. Warum soll das Auto nicht können, was beim Smartphone längst üblich ist? Wir laden jede Menge Apps aufs Handy, zum Spielen, zum Einkaufen, um uns zu informieren oder zu chatten. Vieles davon geht auch bereits im Auto. Software, Spracherkennung, Kamera, MBUX Infotainmentsystem - unsere Fahrzeuge sind mit allen technischen Möglichkeiten ausgestattet. Die wollen wir, vor allem aber auch die Kunden nutzen. Und zwar so einfach wie möglich. Das gilt auch und vor allem für die Bezahlung.

Welches ist denn für Kunden der größte Vorteil?

Wir vereinigen sämtliche Bezahlprozesse in einem einzigen Device, dem Auto. Man bestellt etwas über das Display im Fahrzeug und muss den Kauf nicht mehr auf dem Smartphone bestätigen. Die beim Online-Kauf in Europa vorgeschriebene 2-Faktor-Authentifizierung wird jetzt durch das Auto und den Fingerabdruck erfüllt.

Und das ist sicher? Ich denke da nur an die Hackerangriffe, bei denen Kundendaten abgezogen wurden.

Wir erfüllen die gleichen, hohen Sicherheitsstandards wie klassische Onlinehändler. Außerdem sind die Kreditkartendaten nicht im Auto gespeichert. Bei jeder einzelnen Transaktion werden die Daten immer nur als anonymisierte Token übertragen.

Erschließt Mercedes-Benz mit Payments neue Geschäftsfelder?

Neben App- und webbasierten Shops wird das Auto durch In-Car Payment zu einem weiteren Verkaufskanal - zu einem sehr emotionalen, wie wir finden. Es ist doch nichts einfacher und schöner, als mit dem Produkt, mit dem ich etwas erledige, auch gleich zu bezahlen. Ich fahre ja mit dem Auto zur Tankstelle, tippe davor noch auf dem Navi das Ziel ein, warum also nicht gleich über die bereits erlernten Schritte am Display mit wenigen weiteren Klicks bezahlen? Das Geschäftsmodell mit digitalen Anwendungen, einschließlich integrierter Bezahlmöglichkeiten, erweitern wir jetzt sukzessive.

Können Sie weitere Beispiele nennen?

Tanken, parken, laden - wir starten mit fahrzeugnahen Dienstleistungen, die unsere Kunden im Alltag brauchen. Die können sie zwar auch über ein Smartphone suchen und bezahlen. Doch mit unserem System müssen sie ihr Handy nicht herauskramen und darauf herumtippen, um den Kauf zu authentifizieren. Ein Touch auf dem Fingerabdrucksensor des Autos genügt, schon ist alles erledigt. Das ist ein Mehrwert für Mercedes-Benz-Fahrer, der das Kundenerlebnis steigert. Auch die Möglichkeiten zur individuellen Anpassung der Fahrzeuge durch das Hinzubuchen von Digitalen Extras spielen beim Kundenerlebnis eine Rolle. Gerade für Zweit- oder Drittbesitzer sind diese interessant.

Anders als beim Tanken wird ja beim Parken oder Laden die Zahlung ohne jegliche Freigabe des Kunden durchgeführt. Muss der dafür dann viele Einzelverträge und Abos mit unterschiedlichsten Betreibern abschließen? Das ist doch sicher aufwendig?

Natürlich nicht. Der Kunde schließt lediglich einen Park- oder Ladevertrag ab. Das geht ganz bequem über unsere Mercedes me App und sein persönliches Mercedes me-Benutzerkonto. Die Bezahldaten hinterlegt er einmalig. Damit kann er bei allen teilnehmenden Kooperationspartnern parken oder laden und das Auto bezahlt.

Funktioniert das dann bereits flächendeckend oder sind es nur eine Handvoll Partnerunternehmen, die hier mitmachen?

Der Kunde nutzt es nur, wenn er es auch wirklich an vielen Orten einsetzen kann. Daher schließen wir laufend neue Kooperationen. Unser Ladedienst Mercedes me Charge beispielsweise verfügt über eines der größten Ladenetze, weltweit sind hier aktuell über 1.000 Ladesäulenbetreiber integriert. Allein in Deutschland können Mercedes-Benz-Fahrer ihr Elektroauto schon bundesweit an über 34.000 Standorten laden und das Auto bezahlt im Hintergrund. Zur besseren Einordnung: In Deutschland gibt es derzeit rund 14.500 Tankstellen.

Apropos. Sind Tankstellenbetreiber genauso kooperationsbereit?

Bisher kann man mit seinem Mercedes-Benz an rund 3.600 der insgesamt 14.500 Stationen in Deutschland aus dem Auto heraus bezahlen. Tendenz steigend. Über Fuel & Pay filtert das Navigationssystem die Partner-Tankstellen heraus. Steigt die Nachfrage, wird das Angebot nicht nur beim Tanken schnell wachsen. Erkennt ein Tankstellenbetreiber, dass der Konkurrent auf der anderen Straßenseite Mercedes-Benz-Fahrer anzieht, wird er reagieren und bei uns einsteigen.

Das könnte man auch als unnötige Spielerei betrachten.

Das sehe ich anders. Jeder Mensch hat eine andere Vorstellung von gutem Service. Nehmen wir die Fahrerin oder den Fahrer mit Kind auf der Rückbank. Die haben es meistens eilig, wollen weder mit Kind an der Kasse in der Schlange stehen noch den Nachwuchs alleine im Auto zurücklassen. Schnell an die Säule fahren, tanken, bestätigen, weg sind sie.

Ist In-Car-Payment auch für Services denkbar, die nicht unmittelbar mit dem Auto verbunden sind?

Moderne Autos haben an allen Plätzen Bildschirme. Wenn sich die Mitfahrer auf einer langen Autofahrt langweilen, gibt es heute bereits die Möglichkeit, Entertainment zu buchen und damit die Zeit zu vertreiben - und zwar on-demand, mit einem Klick. Wir sind sehr gespannt auf die weiteren Entwicklungen in diesem Bereich.

Mercedes-Benz integriert in den USA in einer Beta-Version bereits ChatGPT in die Fahrzeuge. Könnte künstliche Intelligenz zukünftig auch bei den In-Car-Payment-Diensten eine Rolle spielen?

Gute Frage, hier kann man sich vieles vorstellen. Das System könnte sich merken, dass ich jeden Morgen auf dem Weg zur Arbeit vom Auto aus bei meiner Lieblings-Kaffeehauskette eine Latte Macchiato bestelle. Fahre ich einmal eine ganz andere Strecke, könnte mich das Auto anstupsen: ‚Hey, in zehn Minuten kommen wir bei einer Filiale von xyz vorbei. Soll ich Dir eine Latte Macchiato bestellen?‘ Und weil das Auto gleich die genaue Ankunftszeit durchgibt, steht der heiße, bereits bezahlte Kaffee auch pünktlich an der Fastlane des Drive-in-Schalters bereit.

Das klingt ja ein wenig gespenstisch. Damit kommt vielleicht nicht jeder zurecht.

Wir setzen uns doch täglich mit neuen Techniken auseinander. Denken Sie nur ans Smartphone. Am Anfang dachte ich auch: ‚Wozu Apps? Schließlich kann ich die Webadresse im Browser eingeben‘. Heute hat jeder zig Anwendungen auf dem Handy, die es ja im Prinzip nur schneller und leichter machen. Ich glaube, das ist ein Generationenthema. Die einen finden solche Möglichkeiten total super. Das sind die Early Adopters, die mit ihrem Auto reden, alles per Sprache steuern und jede technische Möglichkeit ausprobieren. Andere tasten sich erst langsam an neue Technologien heran. Unsere Aufgabe ist nun, eine gute und vernünftige Balance zu finden zwischen dem, was machbar ist und dem, was der Kunde verlangt.

Gibt es auch softwaregesteuerte Ausstattungen, die man aus dem Auto bezahlen kann, sogenannte Fahrzeug-Upgrades?

Selbstverständlich haben wir sämtliche Artikel aus dem Mercedes me Store ins Bezahlsystem integriert. Kunden sollen unsere Digitalen Extras, wie beispielsweise erweiterte Navigationsdienste, auf allen Kanälen kaufen können. Im Auto genauso wie auf dem Computer oder per Smartphone.

Welche Art von Upgrades gibt es bereits, und was ist in der Pipeline?

Sie können heute bereits etliche Funktionen eines Mercedes-Benz upgraden. Beispielsweise bei einem Fahrzeug mit Hinterachslenkung einen größeren Lenkeinschlag buchen. Oder eine farbige Innenraumausleuchtung. Dazu wird die Software einfach over the air aktualisiert. Und es werden jede Menge neue Features im Laufe der Zeit hinzukommen.

Glauben Sie, dass Kunden auch teurere Anschaffungen im Auto tätigen?

Warum nicht? Wer an der Ladesäule steht, hat Zeit, in unserem Shop zu stöbern. Da will doch niemand lange warten, sondern die neue Funktion am liebsten sofort ausprobieren. Ein Klick, schon startet das Upgrade. Wenn es keine riesige Datenmenge benötigt, kann man zum Beispiel den neuen aktiven Abstands-Assistenten DISTRONIC oder das Entertainment-Paket im Optimalfall schon nach wenigen Minuten erleben.

Mercedes-Benz ist aktuell Vorreiter bei fahrzeugbezogenen Bezahlsystemen.

Und darauf sind wir auch extrem stolz. Trotzdem hoffen wir, dass andere Hersteller nachziehen. Das wird die Entwicklung beschleunigen und das Angebot vergrößern. Jetzt schauen wir uns aber erst einmal die gesamte Infrastruktur an, in der wir aktiv werden können. Wie schnell und wie gut funktionieren die Prozesse, welche sind die richtigen Use-Cases, wie genau muss die Bezahlung aussehen?

Bezahlen muss das am Ende aber der Kunde, oder?

Mercedes-Benz verlangt für das Bezahlsystem nichts extra. Das wäre unseren Kunden auch nicht zu vermitteln. Wir haben aber keinen Einfluss darauf, wenn ein Drittanbieter eine Gebühr für einen Onlinekauf erheben. Doch die wäre auch beim Kauf per Handy oder Computer fällig.

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